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MARGINALIEN IN EINEM GEDICHTBAND VON JÁNOS Kis Herkunft unter Berufung auf noch erhaltene Hinweise des Verfassers anzugeben bemüht war," blieb sein Ouellenverzeichnis lediglich Stückwerk und vielfach auch ungenau, oft mit überhaupt fehlenden Quellen oder lediglich mit dem Vermerk der vermuteten Ausgangssprache. Umso mehr musste den einstigen Schüler der Positivisten Gusztäv Heinrich!” und Erich Schmidt'? die Ermittlung der fehlenden Quellen reizen. Dabei sah er darin — wie auch in seinen sonstigen Arbeiten — gewiss nicht nur einen positivistischen Selbstzweck. Was seine Forschungsziele und die seines Instituts betraf, dazu braucht man nurin die Gründungsurkunde der Gesellschaft der Freunde des Ungarischen Instituts einen Blick zu werfen. Darin ist u. a. Folgendes zu lesen: Vor allem aber bildet die Durchforschung der Beziehungen zur deutschen Literatur, zum deutschen Geistesleben ein Hauptthema der literatur- und geistesgeschichtlichen Untersuchungen. Besonders wird dabei der Einfluss der deutschen Universitäten beobachtet, denn die Träger der deutschen Kultureinflüsse waren jene ungarischen Studierenden — meist protestantische 'Iheologen -, die seit dem 16, Jahrhundert von Wittenberg, Halle, Tübingen, Greifswald, Göttingen, Rostock und im 19. Jahrhundert auch von Berlin aus, die deutschen Geistesströmungen nach Ungarn verpflanzten.'* Janos Kis war einer dieser protestantischen Theologiestudenten. Er besuchte 1791-1793 in Göttingen und Jena Vorlesungen, hörte, sah, erlebte, wie er darüber in den Erinnerungen berichtet, alle bedeutenden geistigen Vertreter dieser beiden damals europaweit bekannten deutschen Kulturzentren. So ist es also kein Zufall, dass Gragger immer wieder im Gedichtband Kis’ blätterte. Die wiederholte Durchsicht bezeugen die Gragger-Eintragungen mit verschiedenen Blei- und Farbstiften. Dabei versuchte er mit seinen Glossierungen stets aufs Neue Toldys mangelhafte Quellenangaben zu präzisieren — z. B. wenn er zu der von Toldy vermerkten englischen Quelle die deutsche Vermittlung angab - sowie neue Quellen zu entdecken. Wo es möglich war, wies er außerdem Beziehungen von Gedichten zu den Erinnerungen sowie zu der Korrespondenz mit Kazinczy und sonstigen Veröffentlichungen des ungarischen Dichters nach, so z. B. zu den 1807 erschienenen Bänden unter dem Titel Flora." Interessant sind auch Anmerkungen, welche die Vermutung von Stilparallelen zu späteren Dichtern belegen (z. B. an einer Stelle zu Petöfi). 1 Kis Janos poetai munkai [Poetische Werke v. Janos Kis], S. II. u. Sp. 457-462. Gragger studierte in Budapest von 1905 bis 1909 Germanistik bei Gusztav Heinrich. Gragger hörte 1910-1911 in Berlin Vorlesungen von Erich Schmidt. Das Ungarische Institut an der Universität Berlin. Hg. v. der Gesellschaft der Freunde des Ungarischen Instituts zu Berlin. 2. erw. Ausgabe. Berlin: 1922, S. 3. 15 Kis, János: Flóra. Pest: 1807, 190 S. 12 13 14 + 211