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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE Gragger nutzte auch seine Möglichkeiten als führende wissenschaftliche Persönlichkeit im Ausland, so u. a. in Dorpat, Reval, Helsinki, Turku und Stockholm, über ungarische Literatur zu sprechen. DIE LETZTEN JAHRE Dabei wurde er nicht nur seiner kulturpolitischen und wissenschaftsorganisatorischen bzw. seiner hochschulpádagogischen Sendung gerecht. Er wusste gleichzeitig seine früher in Angriff genommenen wissenschaftlichen Forschungspláne fortzusetzen. Immer wieder wurde z. B. das frühere Thema der deutsch-ungarischen Beziehungen in der Literatur, der Kultur und der Geschichte zum Forschungsthema gewählt. Er schrieb zwischendurch auch einige sprachwissenschaftliche Abhandlungen. In dieser Zeit veröffentlichte er überdies die bereits erwähnten besonders wichtigen Arbeiten zur Altungarischen Marienklage und über die Beziehungen ungarischer Adliger zu Weimar und Preußen in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Die Art und Weise seiner produktiven Tätigkeit hat einer seiner Mitarbeiter folgendermaßen charakterisiert: Robert Gragger war es in seinem überschäumenden Schöpfungswillen nie möglich, sich mit seiner ganzen Kraft gleichzeitig nur einer einzigen Aufgabe zuzuwenden. Stets liefen Arbeiten aus den mannigfachsten Wissensgebieten nebeneinander her. Bevor eine Aufgabe zu Ende geführt war, tauchte schon ein ganzes Heer neuer Pläne auf. Bewundernswert ist es, wie er trotzdem nie die Lust an den begonnenen älteren Arbeiten verlor, sondern immer wieder darauf zurückkam und schließlich doch den größten Teil seiner älteren Entwürfe zur Vollendung brachte.*° Seine weitverzweigte Tätigkeit harmonierte in jeder Hinsicht mit seinen wissenschaftlichen, kulturpolitischen und weltanschaulichen Zielen. Nur deshalb konnte er 1921 an einen uns Unbekannten schreiben: „Mit meiner Arbeit bin ich vollkommen zufrieden.“®! Und ein Jahr später teilte er dem väterlichen Freund und Förderer Geza Bartoniek mit: „Vorläufig bleibe ich da, nun bin ich so weit, dass ich mit den organisatorischen Arbeiten fertig bin.“®? Schließlich konnte er kurz vor seinem Tode die Worte niederschreiben; „Alles, was ich mir 1916 für zehn Jahre vornahm, wurde verwirklicht. Nun ist der Rahmen im vollen Umfang gegeben [...]“*? 8° Gragger, Robert: Altungarische Erzählungen. Berlin: 1927, 217 S. Besprochen v. Konrad Schünemann. Ungarische Jahrbücher, 1927, Bd. 7, S. 242. ®! Veröffentlicht v. Bessenyei, S. 58. # Ebd., S. 57. # Ebd., S. 54-55. + 202 +