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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE des „Unendlichen“? mochten außerdem Goethes Eindruck untermauert haben, dass die Annahme der Einladung nach Weimar den früheren Absichten und Anschauungen in Frankfurt in keiner Weise widersprach. Nur damit ist zu erklären, dass er nach den ersten zwei Monaten die Worte niederschrieb: „Ich bin immerfort in der wünschenswerthesten Lage der Welt, habe glücklichen Einfluss, und geniesse und lerne und so weiter |...].“* Diese Überzeugung konnte auch von den bereits von Anfang an wirkenden Hofintrigen nicht überschattet werden. Erst später, im Laufe der Jahre, als Goethe auf Grund seiner ständig zunehmenden vielseitigen praktischen Erfahrungen einsehen musste, dass der Ertrag seiner staatsmännischen Tätigkeit nicht an den beabsichtigen Zielen der ersten Jahre in Weimar zu messen war, konnten die bedrückende „Landes Administration“ sowie die Hofintrigen nicht mehr mit der früheren Toleranz abgetan werden.? Wenn es aber unmittelbar nach der Annahme der Einladung noch keine Anzeichen für die später eintretende Krise gab, so führte die generelle Veränderung der früheren Umstände und Verhältnisse Goethes bereits am Anfang des Aufenthaltes in Weimar zu ausschlaggebenden praktischen und weltanschaulichen Konsequenzen. Vor allem musste die Literatur — bedingt durch die neuen Verhältnisse — dem Leben untergeordnet werden,‘ das sowohl staatsmännischen Anstrengungen als auch - nicht ohne direkte Beziehungen dazu und im Laufe der Jahre in zunehmendem Maße - praktischen naturwissenschaftlichen Studien gewidmet war. Die eigenen Lebensbedingungen, die dadurch entstanden sind, hat er sechs Jahre nach seiner Ankunft in Weimar, allerdings bereits nicht ohne Zusammenhang mit der damals schon zunehmend charakteristischen Distanzierung von der staatsmännischen Praxis mit den folgenden Worten charakterisiert: „Jetzt werd ich täglich mehr leibeigen und gehöre mehr der Erde zu der wir wiederzukehren bestimmt sind.“ Unter diesen grundsätzlich neuen Umständen war die frühere Möglichkeit, „im Leben ein zweites Leben durch Poesie hervorzubringen“®, nicht nur in objektivem, sondern auch in subjektivem Sinne recht eingeschränkt. „Plane hab ich [...] genug, zur Ausführung aber fehlt mir Sammlung und lange Weile" — schrieb er in einem Brief an Kestner.? Dabei ging es nicht bloß darum, dass die zur Dichtung wenigstens bis zu einem gewissen Grade unentbehrliche 3 Goethe an seine Mutter, 11. 8. 1781. In: Goethes Werke in 133 Bänden und 4 Abteilungen. IV. Abteilung. Goethes Briefe. Weimar: Herrmann Böhlau 1887-1919. (= Weimarer Ausgabe, IV, Bd. 5, Nr. 193), S. 179 f. * Goethe an Johanna Fahlmer, 5. 1. 1776; (= Weimarer Ausgabe IV, Bd. 3, Nr. 379), S. 14. 5 Vgl. dazu Hamm, Heinz: Der Theoretiker Goethe. Grundpositionen seiner Weltanschauung, Philosophie und Kunsttheorie. Berlin: Akademie Verlag, 1975, S. 45-61. 6 Goethe an. C. Kestner, 14. 5. 1780; (= Weimarer Ausgabe IV, Bd. 4, Nr. 949), S. 221. 7 Goethe an]. C. Kestner, 30. 5. 1781; (= Weimarer Ausgabe IV, Bd. 5, Nr. 1235), S. 129. ® Goethe über J. Ch. Günther in „Dichtung und Wahrheit“; (= Berliner Ausgabe, Bd. 13), S. 288. ° Goethe an J. C. Kestner, 14. 5. 1780; (= Weimarer Ausgabe IV, Bd. 4, Nr. 949), S. 221. +50 +