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KOSMISCHE METAPHERN IN DER DEUTSCHEN BAROCKLYRIK Es ist hierbei vor allen dingen zu erinnern / dass der Verse und Zeil-Gebande schönste Zier sei / wann viel in wenig worten gesagt wird.** So ist es nicht Wunder, dass unter den von ihm vorgestellten poetischen Figuren mit dem Attribut , schön" nur die , Epitheta" und die Gleichnisse bzw. die Metaphern ausgezeichnet wurden. Von den letzteren behauptete er: Eine schöne Verse-Zier sind / die Gleichnis Reden / oder Metaphorae: darinn zu betrachten das Ding oder die Sache / davon man poetisirt oder redet / folgends ein anders Ding oder Sache / und endlich die Gleichheit / so zwischen diesen beiden ist.°* Georg Philipp Harsdörffer definierte die ästhetisch-poetische Bedeutung des Gleichnisses noch genauer, indem er diese in der Beziehung von zwei solchen miteinander „zusammenhängenden“ Begriffen bzw. Bildern erkannte, deren jeweilige — wie er schrieb - „Umsetzung“, d. h. Übertragung, in welche Richtung dies auch immer geschehen mag, durchaus möglich sei: Hangen etliche Sachen durch eine Gleichniß aneinander / dass man eines an Statt des andern setzen kann / [...] entstehet also die Umsetzung | Metaphora.* Dementsprechend involviert bei ihm der Begriff „Gleichnis“ eigentlich jeweils auch die Möglichkeiten der Verschmelzung seiner beiden Bestandteile zur Metapher bzw. die Übertragung des einen Bildes auf das jeweilige andere. In Erkenntnis der besonderen poetischen Bedeutung des „Gleichnisses“ wurde es von Harsdörffer in diesem erweiterten Sinne auf das höchste Piedestal aller poetischen Figuren gesetzt, als er über diese schließlich die Konsequenz zog: „Unter besagten Figuren ist gleichsam die Königin die Gleichniss“.*° Er wusste wie Sigmund von Birken, dass gerade in der „Kürze“ der Metapher (d. h. mit wenig Worten viel ausdrücken zu können) ihre hervorragenden poetischen Ausdrucksmöglichkeiten stecken, als er sie sogar in einem Sinngedicht seiner Frauenzimmer Gesprächspiele in Schutz nahm: Georg Philipp Harsdörffer: Melisa Du sagst es sey zu kurtz der Gleichniß Freudenspiel / Mit einer Hand voll Saltz würtzt mancher mehr als viel.?” ® Birken, Sigmund von: Teutsche Rede- bind- und Dicht-Kunst / oder Kurze Anweisung zur Teutschen Poesy / mit Geistlichen Exempeln. Nürnberg, 1679, S. 73. (Hervorhebung L. T.) 34 Ebd., S. 73 f. (Hervorhebung L. T.) 35 Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1969, S. 56. (Hervorhebung L. T.) 3° Ebd., S. 56 f. (Hervorhebung L. T.) 3” Harsdérffer, Georg Philipp: Melisa. In: H., G. Ph. M.: Frauenzimmer Gesprächspiele, II. Teil, S. 452. « 37 s