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KOSMISCHE METAPHERN IN DER DEUTSCHEN BAROCKLYRIK die Integration der kopernikanischen und nachkopernikanischen Vorstellungswelt“ vollzogen habe.* Heliozentrisch gepragte kosmische Metaphern der deutschen Barockdichtung sollen dies im späteren noch veranschaulichen. Vorerst seien aber manche Überlegungen der Rezeptionsbereitschaft für die neuen naturwissenschaftlichen Errungenschaften in den Jahrzehnten des Barock gewidmet. DAS ZUNEHMENDE INTERESSE FÜR DIE KOSMOLOGISCHEN ENTDECKUNGEN IM DEUTSCHEN SPRACHRAUM Die intellektuelle Welt des deutschen Sprachraums war im 17. Jahrhundert von Anfang an in besonderem Maße offen und in höchstem Maße interessiert an sämtlichen Ergebnissen der europäischen Kultur und Wissenschaft. Belege dafür liefern sowohl die vielfachen intensiven individuellen Beziehungen zum geistigen Leben des Auslandes wie auch die ununterbrochenen Anstrengungen, die kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften der westlichen und südlichen Nachbarländer in Deutschland anzusiedeln. Es ist auch beeindruckend, mit welchem Engagement sich die anspruchsvollsten geistigen Vertreter des deutschen Adels und des deutschen Bürgertums bereits ab 1617 in der seinerzeit maßgebenden Fruchtbringenden Gesellschaft wiederholt mit besonderem Nachdruck für wissenschaftliche Aktivitäten einsetzten. Stets offen für die geistige Welt Europas konnten und wollten sich daher die Intellektuellen Deutschlands auch den kontinuierlichen Innovationen innerhalb der tief beeindruckenden neuen Erwägungen und Erkenntnisse über die kosmische Welt keineswegs verschließen, auch wenn diese vorerst, in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts, d. h. zur Zeit der Anfänge ihrer Verbreitung, für manche ihrer Vertreter natürlich noch als fragwürdig erschienen sein mochten. So konnten aber weder diverse institutionelle Maßnahmen gegen die neue Kosmologie (vor allem außerhalb des deutschen Sprachraums) noch der Hang zu traditionellen Vorstellungen verhindern, dass dafür das zunehmende Interesse in privaten Schriften und öffentlichen Drucken, in Briefen, Studien, Abhandlungen, ja sogar in poetischen Werken bereits im 17. Jahrhundert vielfach seinen deutlichen Ausdruck fand. Im Jahre 1629 bedankte sich z. B. Fürst Christian I. v. Anhalt Bernburg in einem Brief „des abrißes halber zu den maculis Solis“ (d. h. zu den Sonnenflecken), denen er, wie er ebenda versprach, alsbald mit Hilfe einer „perspecillia“ (d. h. eines Fernrohrs) nachforschen werde.’ Matthias Bernegger, Rektor * Ebd. (Hervorhebung L. T.) 5 Fürst Christian I. v. Anhalt Bernburg an Graf Christian von Waldeck-Wildungen, Bernburg, den 24. 12. 1629. In: Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: Die Zeit Fürst Ludwigs von Anhalt Köthen 1617-1650. Bd. 2. Tübingen: Max Niemeyer, 1998, S. 499 ff. +29»