OCR
XII. DEUTSCHSPRACHIGE UNGARNBILDER UM 1800 Diese brave Nation verdient [...], da$ man sie náher kennenlerne. Noch jetzt ist Ungarn die Kornkammer und das Arsenal Österreichs. Es ist die Pflanzschule schöner und heldenmüthiger Krieger; unerschüttert wie Mauern stehen sie im Kampf und kaltblütig wie es Helden ziemt im Feuer schrecklicher Batterien |...) (Schema 3/A u. 2) Diese tapfere großmüthige Nation, von einfachen Sitten, an Leib und Seele gesund und unverdorben, freimüthig und loyal, ist den Neuerungen feind und hat selbst in der Kleidertracht seine alte Form beibehalten. Es ist eine Perle in der Krone des Hauses Österreich und der Hochachtung seiner edeln Eigenschaften würdig. (Schema 3/B) Ein Zeugnis der weltanschaulichen Schwebe des Erkennenden zwischen Ungarn ist ein sehr schönes, ausserordentlich reiches Land, aber noch beinah ganz unkultiviert. Es war mir oft dort zu Muth, als wäre ich in Otaheiti oder bei den Südseeländern; das Ansehen der Landleute ist wenigstens ganzso, sowohlin Rücksicht der Wohnung, der Kleidung und der ganzen Art, wie in allen ihren Einrichtungen, grade so wie man es in den Reisebeschreibungen findet. Auch ihr Charakter hat noch sehr viel wildes. Wir haben uns oft gedacht, ob nicht einmal hier noch grosse Völkerwanderungen hinziehen werden, so wie im Süden und Westen nach Amerika. Der Gedanke würde als eine entfernte Aussicht etwas tröstliches haben, wenn nicht durch die allgemeine Verblendung und Verkehrtheit die Bildung dort angefangen würde, wo sie allenthalben jetzt aufhört, nämlich bei dem Indifferentismus und dem witzigen Unglauben. Ein Franzose hat einst von den Russen gesagt, ce sont des ours poudres. Von den halbaufgeklärten, halb noch heidnischen Ungarn könnte man dasselbe vielleicht mit noch größerm Rechte sagen.?? (Schema 3/A, 4/A u. B) Brief von Dorothea Schlegel an den Sohn Jonas in Berlin. Wien, 22. 11. 1809. In: Dorothea v. Schlegel geb. Mendelssohn und deren Söhne, Johannes und Philipp Veit: Briefwechsel in 2 Banden. Hg. v. J. M. Raich. Mainz: Verlag v. Franz Kirchheim, 1881, Bd. 1, S. 385. + 298 +