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XII. DEUTSCHSPRACHIGE UNGARNBILDER UM 1800 der ungarischen Nationalbibliothek von Ferenc Széchényi, an die damals äußerst moderne Trennung des Chemie- und Botanikunterrichts an der Pester Universität, an die Realisierung der ersten großen Städtebauprojekte, an die vielen ungarischen und deutschsprachigen Periodika, an den schnellen Aufschwung des Theaterlebens, an die umfangreiche literaturorganisatorische Tatigkeit des Ferenc Kazinczy und Ludwig Schedius, an deutschsprachige wissenschaftliche Studien über die Geschichte, die Sprache, die Wirtschaft und die Literatur der Ungarn, an die ersten bedeutenden ungarischen Sprachführer für Fremde und selbstverstandlich an lyrische Spitzenleistungen des Csokonai und Berzsenyi und des damals vom in und ausländischen Publikum besonders hochgeschätzten Sändor Kisfaludy. Freilich sorgten für die Verbreitung dieser kulturhistorischen Resultate der Ungarn in Deutschland protestantische und katholische ungarndeutsche Bürger aus der Zips, aus den westungarischen Städten (Ödenburg und Preßburg) sowie aus der erneut entstehenden Hauptstadt des Landes (aus Ofen und Pest), aber auch deutschsprachige Adlige wie u. a. Gregor von Berzeviczy, Vinzenz von Batthyäny, Franz von Boros, Baron von Podmaniczky. 5. ZUNEHMENDE BEREITSCHAFT FÜR EIN DIFFERENZIERTERES UNGARNIMAGE IN DEUTSCHLAND Gleichzeitig erweiterte sich auch der Horizont des Erkennenden. Die aufgeklärte Utopie der geistigen Repräsentanten der Deutschen vom alsbald eintretenden goldenen Zeitalter der ganzen Menschheit ließ es nicht zu, irgendwelche Grenzen des allgemeinen Aufstiegs zu akzeptieren. Karl August Böttiger z. B. legte einen großen Wert darauf, dass man im Neuen Teutschen Merkur, einem Organ der deutschen Spätaufklärung, bei kontinuierlicher Unterstützung von ausländischen Korrespondenten regelmäßig von der Verbreitung der Aufklärung in den Nachbarländern (z. B. in Dänemark, in den Niederlanden, in der Schweiz, in Polen) berichtet. Dank den besonderen Aktivitäten der deutschsprachigen Ungarn kam dabei von 1802 bis 1808 vor allem den vielen ausführlichen Korrespondenznachrichten über die Fortschritte der Kultur und Literatur im Königreich Ungarn eine außerordentliche Bedeutung zu.?! Der weltoffenen Sicht der Deutschen setzte auch der geistesgeschichtliche Trendwechsel nach den zwischen der Französischen Revolution und der Kaiserkrönung Napoleons individuell erlebten Krisen und romantischen Illusionsverlusten kein Ende. Nur war es allerdings nicht mehr in erster Linie der utopisch ersehnte sozialhistorische Fortschritt, der den von 1800 ?! Siehe darüber Kap. XI. + 296 +