OCR
XII. DEUTSCHSPRACHIGE UNGARNBILDER UM 1800 [...] Es ergab sich, daß hier die größte Liederlichkeit mit der größten Barbarey gepaart sey, ein Phänomen noch scheußlicher, als wenn das Laster sich noch mit dem Schein der Schaam und der Decenz behängt. Desto fataler war es uns, daß einige der Gesellschaft [Mitreisende aus Deutschland, L. T.], die uns lieb geworden waren, sich von der Nacht und dem Mondschein des Himmels und der Wohllust, worin der Teufel in seinem Halblichte heckt, hatten fangen lassen. Übrigens traten wir mit gehöriger Freyheit ein [...]'7 3. WANDLUNGEN DER DEUTSCHEN UNGARNBILDER IM 18. JAHRHUNDERT Umfang, Tiefe, Intensität sowie allgemeine Verbreitung der deutschsprachigen Ungarnbilder waren im Laufe der Jahrhunderte bei weitem nicht gleichmäßig. Von historisch aktuellem Interesse bestimmt gab es in ihrer Geschichte manche ganz hervorragenden Wellenhöhen, geprägt von einer Vielzahl von ausführlichen Berichten, Stellungnahmen, ja sogar von poetischen Reflexionen. Einen augenfälligen Höhepunkt markieren in dieser Beziehung die Jahre um 1800. Denn jene europaweite Offenheit für die Ungarnthematik in der Zeit der Befreiung Wiens, Ofens und anschließend des ganzen Königreichs von den Türken, wie sie in Zeitungen, Gedichten, auf fliegenden Blättern, ja sogar in historisch repräsentativen Erfolgsromanen um 1700 nachzuweisen ist!®, flaute um 1720 für mehr als ein halbes Jahrhundert ab. Daran änderten nicht einmal die heroischen Aktivitäten der ungarischen Husaren, Panduren und Talpaschen der Königin Maria Theresia während der wiederholten Kriege gegen Friedrich den Großen um die Mitte des Jahrhunderts. Da ging es nämlich um Machtpositionen innerhalb der deutschsprachigen Regionen; der Ungarn bediente man sich eigentlich nur als Außenseiter. So begegnet man in diesen Jahren selbst den sonst immer funktionierenden Klischees vom Tokaierwein und Heldenmut nur ganz selten, so z. B. in den grotesken Metaphern des seinerzeit erfolgreichsten Rokokodichters des deutschen Nordens: Was soll, o Talpatsch und Pandur, Was soll die träge Rast? Auf! und erfahre, daß du nur Den Tod verspätet hast. 77 Arndt, Ernst Moritz, Erinnerung an Ungern, S. 281. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 233. 18 U. a. [Speer, Daniel]: Ungarischer oder Dacianischer Simplicissimus [...] Beschreibung deß vormals im Flor gestandenen und 6fters verunruhigten Ungerlands [...], 1683. [Neu hrsg. Berlin: 1978, S. 305.] Happel, Eberhard Werner: Der ungarische Kriegsroman [...], 1685/89. + 294 +