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1. TRADIERTE UNGARNSCHEMATA UM 1800 1. TRADIERTE UNGARNSCHEMATA UM 1800 Schema 1: Die Frauen in Ungarn seien tiberdurchschnittlich sch6n und/oder reizend (eine Ansicht im deutschen Sprachraum, die von Walthers Lyrik um 1200 bis zum berühmten Piroschka-Film kontinuierlich belegt werden kann). In der ausführlichen Reisebeschreibung des jungen Ernst Moritz Arndt von 1798 steht darüber u. a.: „Wir bewunderten in dem schönen Redutensaal manch schneeweißes Weibergesicht und manchen stattlichen Minerven und Dianenwuchs, ein Vorzug, der sich an wenigen europäischen Leibern so ausgezeichnet findet als an den ungrischen.“* — Die Variationen auf den weiblichen Reiz der Ungarinnen wiederholen sich im Reisebericht laufend, so u.a. auch in einem Pester Cafe: „Die Frauen [...] wissen ihren Teint, trotz der feinsten Italiänerin fein und zierlich zu erhalten. Sie sind |[...] wohl gebaut, und sie haben dabey eine Lebendigkeit und Macht des Blicks, die man oft versucht wird, italiänisch zu nennen.“® Schema 2.: Die Männer sind mutige Krieger (wiederholt belegt seit dem Mittelalter, mit höherer Frequenz von den Türkenkriegen über 1848/49 bis 1956). Arndt schreibt von „edlen und heroischen Ungern“. „Der Unger ist“ nach ihm, „der die Heere mit tapfern Kriegern [...] füllt.“ Schema 3: Der Boden in Ungarn ist fruchtbar (3/A), der Charakter der Menschen natürlich (einfach, schlicht, ungekünstelt, bescheiden, zum Teil ungeschmeidig, auch einfältig) und ehrlich (brav, treu, tapfer) (3/B). Diese Feststellungen veranschaulicht man recht variabel: einerseits die reiche Natur (3/A) u. a. mit verschiedenen für ausgezeichnet gehaltenen Weinsorten, vor allem dem Tokaier und bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Ofner Rotwein, sowie immer wieder mit Melonen und andererseits den imposanten Charakter des Volkes sowie auch einzelner Menschen (3/B) mit beliebigen Einfällen äußerer und innerer Merkmale, mit denen allerdings die Grenzen der gängigen Charakterschemata über die Ungarn, soweit es nur möglich ist, nicht überschritten werden. In diesem Sinne schrieb Arndt im Jahre 1798 über den Reichtum des Landes die Folgenden: Von der Fülle und Üppigkeit des Landes und seinem Naturreichthum hat keiner eine Vorstellung, der es nicht gesehen hat [...] Man gehe hier des Morgens und Vormittags an den Strom, sehe die gefüllten Kähne, und einen großen Theil des Ufers entlang das Lebendige und Todte für den täglichen Gebrauch hingestellt. Ebd., S. 287. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 236. Ebd., S. 322. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 258. Ebd., S. 291. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 239. Ebd., S. 327. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 261. Nn ww + 291 +