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XII. DEUTSCHSPRACHIGE UNGARNBILDER UM 1800 Gewiss drückte dem Gesamtbild jedes individuelle Erlebnis und jedes Zeitalter den unverwechselbaren Stempel auf. Aber gerade vom ausgehenden 18. Jahrhundert an dürfte man bereits sogar eine gewisse Vorprogrammierung selbst der einzelnen Ungarnerlebnisse und der auf diese Weise entstandenen „pseudoindividuellen“ Ungarnbilder der Deutschen? voraussetzen. Jedes Erlebnis, jeder Bericht geschulter Autoren über Ungarn involviert um 1800 auch eine ganze Reihe von gedruckten, handgeschriebenen, sogar mündlichen Ungarninformationen der deutschsprachigen Vorgänger und Zeitgenossen. Man kann sich von dem bereits Vorhandenen kaum mehr lösen. So wird vom Ende des 18. Jahrhunderts an — schon wegen der raschen Vermehrung der deutschsprachigen Ungarnberichte — auch der Trend zur Generalisierung der deutschen Ungarnbilder stärker als je zuvor. Hinzu kommt die gleichzeitig zunehmende Offenheit für jene Klischees, die sich im Laufe der Jahrhunderte über die südöstlichen Nachbarn historisch mehr oder weniger begründet erhärtet haben. Auf kaum einem anderen Gebiet des geistig-kulturellen Lebens kommt der Traditionsrelevanz eine derart große Bedeutung zu wie auf dem Gebiet des einheimischen Images über das entsprechende fremde Land bzw. Volk. (Kommt ein Schriftsteller diesen Anforderungen nicht nach, so setzt er unter Umständen den Erfolg seines Werkes unter seinen Adressaten aufs Spiel.) Die Dialektik des Individuellen und des Allgemeinen, des Momentanen und deshhistorisch Tradierten scheint auf dem Gebiet der Länderbilder innovative Wandlungen nicht so recht fördern zu wollen. Befragt man heute, kurz vor der Jahrtausendwende, einen Deutschen über die Ungarn bzw. einen Ungarn über die Deutschen, so dürfte der größere Teil der Prädikate mit denen, die 1800 am häufigsten genannt wurden mit großer Wahrscheinlichkeit übereinstimmen. Die Richtigkeit dieser Hypothese kann man selbstverständlich auch umgekehrt, von den deutschsprachigen Ungarnbildern um 1800 ausgehend, erwägen, ohne dabei die unbedingte Aktualisierung zweihundert Jahre alter Aussagen erzwingen zu wollen. Hierzu seien einige Beispiele aus Ernst Moritz Arndts Reisebeschreibung vom Sommer 1798? für die nicht nur damals typischen, sondern gleichzeitig Jahrhunderte lang variierten deutschen Ungarnschemata angeführt. ? Das permanente Vorhandensein eines Gesamtbildes ist um 1800 bei einer damals bereits neunhundertjährigen kontinuierlich entwickelten Vorstellungswelt der Deutschen über Ungarn alles andere als fragwürdig. Arndt, Ernst Moritz: Erinnerung an Ungern. Ein kleines Anhängsel. In: Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 u. 1799. 1. Theil. 2. verb. u. vermehrte Aufl. Leipzig: Heinrich Gräff, 1804, S. 275-374. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 229-271. 3 + 290 +