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5. BELLETRISTIK AUS UNGARN IN DEN KORRESPONDENZNACHRICHTEN blockiert wurde. Somit schlossen die Ungarnberichte auch eine Liicke der Freymiithigen Bemerkungen von 1799, in denen die Aspekte der Entwicklung der Literatur im Wesentlichen noch ausgeklammert gewesen waren. Die Ungarnberichte liefern ein authentisches Bild von dem damaligen geistigen Leben und der Anschauungsweise der Literaten und mit der Beurteilung der kulturellen Ereignisse und Tendenzen sowie der ungarndeutschen und ungarischen wissenschaftlichen und belletristischen Literatur (die Übersetzungsliteratur mit einbegriffen) den Hungarologen, Historikern, Literaturwissenschaftlern und Kulturhistorikern außerordentlich wichtige Quellen. Auch der Fachmann wird dabei auf eine Reihe von unbekannten Namen, Werken und damals für wichtig gehaltenen Ereignissen stoßen. Dabei überrascht den Leser heute die sachkundige Beurteilung und klare Einschätzung des Bedeutenden und Wertvollen aus der Sicht der Verfasser,!!# indem sie in der Lage waren, den tatsächlich hervorragenden Leistungen sowohl auf dem Gebiet der Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritte (z. B. von György Festetics und Ferenc Széchényi) als auch auf dem der ungarischen Belletristik (Csokonai, Kisfaludy, Kazinczy) in der Unmenge von Namen und Werken den ihnen gebührenden Platz einzuráumen. Das Werk - wir erlauben uns, das Gesamtmaterial der Ungarnberichte mit ihren mehr als 400 Druckseiten so zu nennen — konnte seinerzeit leider nicht seinem Wert entsprechend wirken. Der beabsichtigte Einfluss auf die deutschen Leser unterblieb. Wenn auch anfangs eine Aufnahmebereitschaft gewiss noch vorhanden war, so versiegte sie im Laufe der sechs Jahre der Berichterstattung. Die an sich so bedeutenden Korrespondenznachrichten über Ungarn leiteten jedenfalls keinerlei durchgreifende Rezeptionsvorgänge in Deutschland ein. Die Ansichten, denen diese Berichte verpflichtet waren, büßten gerade im Laufe dieser bewegten Jahre in Deutschland, vor allem von der Zeit der neu einsetzenden Kriegshandlungen an, recht viel an Popularität ein. Andererseits verlor auch der Merkur in dieser Zeit Jahr für Jahr an Wirksamkeit und damit auch seine Leser, wenn auch nicht wegen seiner bedeutendsten Auslandsberichte, sondern wegen seines in Deutschland bereits anachronistisch gewordenen spätklassizistischen und anakreontischenbelletristischen Materials, das auch Goethe zueinem bissigen Epigramm veranlasste. So ging die damals älteste deutsche literarische Zeitschrift, anderthalb Jahre nach dem letzten Ungarnbericht wegen der stark zurückgegangenen Nachfrage endgültig ein. Das ändert natürlich an der Tatsache nichts, dass die Ungarnberichte des Neuen Teutschen Merkurs einen imposanten Versuch darstellen, Anstrengungen und Ergebnisse im Prozess des Anschlusses an das kultivierte Europa dem Ausland zu demonstrieren. 48 Unter ihnen natürlich vor allem von Karl Georg Rumy, der die meisten Ungarnberichte schrieb. + 287 +