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5. BELLETRISTIK AUS UNGARN IN DEN KORRESPONDENZNACHRICHTEN mehrmaligen Wiederholung der im Zusammenhang mit Csokonai fiir so wichtig gehaltenen Begriffe wie z. B. Nationalindividualitat, Nationalpoesie, Nationalcharakter usw. nicht enthalten konnte. Gewiirdigt wurde Csokonai vor allem als ein talentierter, originaler und hoch qualifizierter Nationaldichter, der seine Begabung in den verschiedensten poetischen Gattungen, sowie in der Ode, dem Lied, der anakreontischen und Rokoko-Dichtung, der Travestie, dem nationalen und komischen Epos gleicher Weise zu behaupten verstand und damit die ungarische Sprache und Kultur auf einen hohen Entwicklungsstand hob. Bezeichnend fiir die anerkennende Csokonai-Charakteristik des Neuen Teutschen Merkurs sind die ersten Worte aus dem Juliheft von 1803: Die kastalischen Madchen erzogen und bildeten Herrn Michael Vitéz sonst Czokonay, einen jungen Mann, der in Debrezin sich ganz ihnen weiht, und ungeachtet des ihm nicht günstigen Glückes, Lorbeerkränze sammelt, die gewiß einst seinen Scheitel zieren werden. Dieser neue Genius meines Vaterlandes ist gleich glücklich in der Ode und in dem Liede. Feurige Einbildungskraft, lyrischer Schwung, leichte Versification, und eine gewisse Nationalindividualität zeichnen seine schönen Gedichte aus, in denen allenthalben Nettigkeit und, ich darf sagen, eine klassische Correktheit hervor leuchtet. Man bemerkt, daß er mit unsern ehrwürdigen Alten vertraut ist, und den Geist seiner Sprache, überhaupt den der Poesie studirt hat [...] Man verspricht sich viel von diesem talentvollen Kopfe.'? Aus dem Werk von Csokonai wurden der Gedichtband Magyar Anakreon, die von den Zensurbeh6rden verbotenetravestierte Batrochomyomachie, die Idylle Amarillis und das komische Epos Dorottya herangeführt, und des Öfteren wurde auch des geplanten, letzten Endes aber nicht vollendeten Nationalepos Arpadias mit hoher Erwartung gedacht. Noch der erste Csokonai-Bericht kündigte „zur Probe ein kleines Gedicht von diesem liebenswürdigen Dichter in teutscher Übersetzung“''‘ an. Der Verfasser selbst traute sich aber wahrscheinlich an die deutsche Übertragung von Liedern, die einen allzu hohen Maßstab an den Übersetzer stellen mussten, nicht heran und fand auch gewiss keine akzeptablen bereits fertigen Nachdichtungen, so erschienen von Csokonai keinerlei Proben im Merkur. Trotzdem setzte er sich auch später für die deutsche Übersetzung der Csokonai-Gedichte ein, nachdem er erneut von der Bedeutung des Arpadias und den neuesten anakreontischen Liedern berichtet hatte, indem er die folgenden Worte schrieb: 1155 NTM, 1803, H. 7, S. 236 f. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 153, Nr. 423: „[teilweise von einem Ungarn, vermutlich Rumi]“. 46 Ebd.