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7. OPPOSITIONELLE ATTITÜDEN — DEUTSCHSPRACHIG (GLÜCK AUF DES MESSERS SCHNEIDE) 7. OPPOSITIONELLE ATTITÜDEN — DEUTSCHSPRACHIG (GLÜCK AUF DES MESSERS SCHNEIDE) Im Gegensatz zum ungarischen literarischen Leben konnte sich die deutschsprachige urbane Kultur auch nach den folgenschweren historischen Ereignissen von 1794/95 — wenn auch nicht ungehindert, doch mit sehenswerten Erfolgen — weiterentwickeln. Freilich belastete auch die Veröffentlichung von deutschen Publikationen eine im Königreich bis zu jener Zeit unbekannte und mit gnadenloser Härte eingeführte Zensurpraxis. Sie erstreckte sich nach der Schreckenszeit in Frankreich und der Verschwörung in Ungarn nicht mehr nur auf Delikte wie Majestätsbeleidigung, Verletzung der allgemein vertretenen Normen in Glaubenssachen oder Verstöße gegen die Moral bzw. gegen die zeitgemäße sittliche Verhaltensweise, wie das vor dem kurzlebigen „Tauwetter“” den k. k.-Ländern üblich war, sondern schon auf den geringsten Verdacht auf jakobinische Staatsfeindlichkeit. Die Oppositionelle Einstellung von Autoren bzw. kritische Worte in der jeweiligen Publikation zu staats- und/ oder wirtschaftspolitischen Fragen konnten unter Umständen nicht nur den Text gefährden (indem man die entsprechenden Stellen tilgen ließ oder die Veröffentlichung des entsprechenden Werkes verbot), sondern auch den jeweiligen Verfasser. Trotzdem entstanden staats- und wirtschaftskritische Texte der deutschsprachigen Ungarn auch in diesen schweren Zeiten kontinuierlich. Man veröffentlichte sie recht oft in Deutschland (in Weimar, Jena und Leipzig), aber nicht selten wagte man sie auch in Ungarn erscheinen zu lassen. Dabei wurden die heiklen Themen und Probleme im Ausland freilich offener, im Inland dagegen üblicher Weise auf eine verdeckte Art angesprochen. Jacob Glatz veröffentlichte z. B. seine offen und mit außerordentlicher Schärfe verfassten kritischen Worte über die unerträgliche Unterdrückung der „Menschenrechte“ und der Pressefreiheit nach 1794/95, freilich während seiner Studienzeit im Ausland (in Jena), folgendermaßen: in Wiesehrhiernoch Menschenrechte gekränkt, edle Unternehmungen unterdrückt [...] wie sehr [...] das Ungeheuer der Hierarchie [...] das Mark des Landes verzehrt, jeden edleren Funken zu ersticken, jede süßere Hoffnung zu vereiteln, jedes aufkeimende Gute zu vernichten versteht, ist dem bessergesinnten Unger bekannt, unbekannt aber dem Auslande, wegen des beynahe gänzlichen Mangel an Preßfreyheit [...] Dass Schandtaten nicht aufgedeckt werden, dafür ist gesorgt. Mit Argusaugen werden die Pressen bewacht, und wehe dem der sich erfrecht, etwas, das man nicht gerne hört, * Betrifft die Josephinische Zeit (1780-1794) bzw. die Pressefreiheit (1784-1794) bei Anspielung auf das Titelwort und das Werk v. Leslie Bodi: Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österreichischen Aufklärung 1781-1895. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1977, 511 S. .243 +