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X. GLÜCK UND UNGLÜCK IN DER K. K. MONARCHIE UM 1800... 1. UMSIEDLERGLUCK IN UNGARNS STADTEN UM 1800 — MIT FREMDER SPRACHE UNBEFREMDET Ein äußerst glücklicher Umstand war für die neuen Stadtbürger des Königreichs, dass sie etwa 30 Jahre vor und nach 1800 im Königreich wegen ihrer Muttersprache nicht im mindesten befremdet zu sein brauchten. Es gab dagegen gleichzeitig Magyaren, die vom Lande mit großen Erwartungen nach Pest-Ofen gereist, in der königlichen Hauptstadt - eigentlich wie Ausländer - sich richtig verloren und unglücklich fühlten. Jözsef Gvadänyi schrieb z. B. im fünften Gesang seiner 1790 veröffentlichten Reise eines Dorfnotars nach Ofen höchst verbittert u. a. die folgenden Verse: Mit eignen Augen sah ich / mir alles an besonnen, Pest-Ofen prüft’ ich mir, / das Herz ward mir beklommen, Es tat mir richtig leid, / dass ich hierher gekommen [...] Und weiter unten steht auch: Das ungarische Wort / ist selten hier zu hören [...]* Es ist bekannt, dass die Eltern des ersten ungarischen Literaturhistorikers (ursprünglich Franz Schedel, später Ferenc Toldy) in Buda (Ofen) kein Wort ungarisch gekonnt haben. Aber auch Michael Glückswerth, ein einflussreicher Großhandelsunternehmer, der von seiner Jugend an in Pest lebte, bezahlte 1843, 79-jährig noch einen Dolmetscher, den er Kossuths berühmte ungarische Artikel in dem Pester Nachrichtenblatt (Pesti Hirlap) für einen Stundenlohn regelmäßig ins Deutsche übersetzen ließ.° Um 1800 verstanden sich aber im Königreich auch die meisten ungarischen Adligen, in vielen Fällen sogar die übrigen Nationalitäten, im öffentlichen Leben wie auch in engeren Kreisen leichter und selbstverständlicher auf Deutsch als in der eigenen Muttersprache. Sie schrieben recht oft auch ihre Abhandlungen, Tagebücher, Briefe, ja sogar Gedichte und Dramen deutsch." : Gvadányi, József: Egy falusi nótáriusnak budai utazása [Reise eines Dorfnotars in Ofen]. In: A régi magyar költeszet [Die alte ungarische Dichtung]. Bd. 2. Budapest: Lampel Röbert, o. J., S. 119-121. Falk, Miksa: Kor és jellemrajzok [Zeit und Charaktere]. Budapest: Révai Testvérek Irodalmi Intézete, 1903, S. 3. Von den deutschsprachigen ungarischen Adligen berichtete auch Arndt in seinem Reisebericht von 1798. Siehe im Kap. 1/4. + 228 +