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VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN Ofner Schlosstheater mit Superlativen®* würdigte. Gleichzeitig befremdeten ihn verständlicher Weise die „barbarisch“ gruseligen Veranstaltungen der Pester ,,Tierhatz“ vor einem höchst unkultivierten Publikum.® Der junge Ernst Moritz Arndt, der in der zweiten Augusthälfte 1798 während seiner Europareise aus Wien einen Abstecher nach Ungarn machte, schrieb recht viel über Land und Leute und deren Kultur. Leider belastete seine Berichte (auch diejenigen über das TIheaterleben in Pest und Ofen) das zum Teil bis heute lebendige Ungarnschema des deutschsprachigen Auslandes im Sinne der Formel „reiches Land, talentierte Menschen — allerdings beide unkultiviert, daher der deutschen (aufgeklärten) Nachhilfe in höchstem Maße bedürftig“.° Die kurze Ungarnreise „in das liebe Ungerland“ ist ja laut Aufzeichnungen schon vor dem Grenziibertritt [!] schemengerecht vorprogrammiert, indem sie „in dieses schöne vom Himmel gesegnete“, andererseits aber „von Menschen reichlich zerstörte und niedergetretene Land“ führen soll. Liest man Arndts Reisebericht, so hat man den Eindruck, er habe damit, was er sah und erlebte, lediglich seine mitgebrachten Vorurteile zu bestätigen versucht. Dementsprechend fielen seine Worte über Schröders Glück bessert Thorheit vom 21. August in der Pester Rondelle, wie auch zwei Tage später über das Ritterstück von Veit Webers Graf Wiprecht von Groitzsch im Ofner Schlosstheater äußerst kritisch aus. Das seiner voreingenommenen Ansicht nach niedrige Niveau der Aufführung des ersten Stückes erklärte er mit der Unkultiviertheit des Publikums, der das schauspielerische Angebot weitestgehend nachzukommen versucht habe: „Der Geschmack des Publiklums offenbarte sich darin, dass aus dem Bedienten und Kammermädchen Kasperle und Kasperlin gemacht ward. Auch uns ergötzte dies, noch aber mehr das Stelzenspiel und Kehlengewürge des ersten Liebhabers, Herrn Herdt.“** Die ironischen Ubertreibungen des Verfassers hatten nach dem Theatererlebnis im Ofner Schlosstheater keine Grenzen mehr: Man spielte [...] mit den gehörigen Balgereyen und Bärenscenen gehörig zugestutzt. Man kann sich so etwas krasses gar nicht denken, noch etwas tolleres und mehr gefoltertes, als die Deklamation und Aktion der Spieler. Doch je unnatürlicher und katzenjämmerlicher sie die Worte würgten, je steifer und wilder sie mit Köpfen, #4 Ebd., S. 116 f. bzw. S. 221. 85 Ebd., S. 101-104. bzw. S. 214 f. 8° Siehe dazu Schema Nr. 3, 4, u. 1 in: Kap. XII. §7 Arndt, Erinnerungen an Ungern, S. 275. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 229. 88 Ebd., S. 307. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 249. s 184