OCR
VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN! —to> 1. VERSCHWUNDENE ZEITEN UND LEISTUNGEN DER DEUTSCHEN SCHAUSPIELKUNST IN UNGARN „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“? - schrieb Friedrich Devrient (Mitglied der seinerzeit europaweit bekannten deutschen Schauspielerdynastie) nach einem seiner Gastspiele im Pester Deutschen Theater im Spieljahr 1858/59 aufein Albumblatt. Adressat des Satzes war sein damals erst kaum 17-jähriger Bewunderer, der Pester Lajos Barnay, der zwei Jahre später auf der gleichen Bühne auf dem Neumarktplatz (heute Erzsebet ter) auch seine glanzvolle Schauspieler-Laufbahn begann: Diese führte ihn, den deutschsprachigen Ungarn, vom Deutschen Theater des alten Pest nach 1861 u. a. über Kaschau, Graz, Wien, Weimar, Leipzig, Meiningen, Frankfurt sowie über eine Reihe von Gastsspielen in London, St. Petersburg, Moskau, Kiew, Zürich, Basel, Antwerpen, Amsterdam, Groningen, Paris, New York, Chicago, St. Louis und Riga, ja sogar über manche Gastspiele in der Heimatstadt, in dem damals bereits zu einer Stadt vereinigten Budapest, bis in die deutsche Hauptstadt. In Berlin wurde seine einmalige Künstler-Karriere schließlich mit dem Auftrag der Leitung des Berliner Deutschen Theaters gekrönt.” Mit einem Wort brachten ihm seine hervorragenden Erfolge als Schauspieler, als Regisseur und als Theaterintendant sein ganzes Leben hindurch kontinuierlich zunehmende Anerkennung in der ganzen Welt.* Die Frage, wem diese oder andere beachtliche bühnenkünstlerische Leistungen aus dem 19. Jahrhundert heute noch gegenwärtig seien, kann freilich nur rhetorisch verstanden werden. Denn wer weiß überhaupt noch von den Gastspiel-Erfolgen der Devrients in Pest, von Karl August Devrient in den 1 Eröffnungsvortrag unter dem Titel „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze’ Deutschsprachige Schauspielkunst im alten Pest-Ofen“ an der Konferenz „Bretter, die die Welt bedeuten - 200 Jahre Deutsches Theater in Pesth“ (Budapest, November 2012). ? Worte aus dem Prolog der Wallenstein-Trilogie v. F. Schiller. ® Barnay, Ludwig: Erinnerungen. 2 Bde. Berlin: Egon Fleischel u. Co., 1903, 345; 378 S. Nach eigener statistischer Summierung seiner künstlerischen Leistungen als Schauspieler trat er insgesamt an 3868 Abenden in 371 Stücken (in 455 verschiedenen Rollen) und in 98 verschiedenen Städten auf. Siehe ebd., Bd. 2, S. 363.