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4. MODIFIZIERTE UNGARNBILDER: INLANDISCHE SONDERFALLE Getöß der Schlachten, wilder Blutgier Schrecken, Der Waffen furchtbar eisernes Geklirr, Verwiistungen, die Deutschlands Fluren decken, Und tausendfacher Jammer kam von dir. Das Land der schönsten Freiheit ist gesunken! Gesunken, ach! der Wahrheit heil’ges Land! Wo jeder, der aus ihrem Quell getrunken, Was in der Brust ihm glühte, frei gestand.*” Umso auffallender ist nur wenige Jahre später die plötzliche Hinwendung zur ungarischen Vergangenheit, zu den Heroen der ungarischen Geschichte, wie z. B. Janos Hunyadi und Miklös Zrinyi. Diese seine Gedichte erschienen im Jahre 1809 in einem Heft unter dem Titel Lieder fiir Ungerns Bewaffnete.” Es ist ein Band, mit dem der Dichter zur Zeit der Insurrektionserhebung möglicherweise einer direkten Bestellung oder der aktuellen Erwartung von irgendwelchen Auftraggebern, Herausgebern oder auch Lesern nachzukommen beabsichtigte. Anders kann der plötzliche Entschluss, nationale Lieder im Sinne uneingeschränkter Ungarnidentität zu verfassen, gar nicht erklärt werden: In allen früheren poetischen Werken Köffingers, sowohl in seinem umfangreichen Gedichtband von 1807" als auch unter seinen in den Ungrischen Miscellen®® veröffentlichten Liedern, gibt es kein einziges Gedicht dieser Art. Und wenn dabei die Authentizität in der Stellungnahme des Ofner Dichters auch fragwürdig sein mag, so kommt er mit dieser scheinbaren Wende in seiner nationalen Sichtweise nun gewiss der allgemein vorhandenen ungarndeutschen Nachfrage |[!] seiner Pest-Ofener Leser entgegen. Denn darauf kommt es nun an: Deutsch lesende Ungarn kann man anscheinend nur mit solchen Gedichten gegen die Franzosen mobilisieren, in denen nicht an das deutsche, sondern an das ungarndeutsche Nationalbewusstsein appelliert wird. Vom poetischen Ergebnis her ist es schließlich ausschlaggebend, dass diese bewusste Dichtungsstrategie solche unter ungarischen Aspekten äußerst bedeutenden historischen Argumente wachruft und artikuliert, wie z. B. die Überzeugung, nach der den Ungarn schon seit dem Bestehen ihres Landes die historische Rolle des Beschützers von Europa zukam. Damit greift der deutschsprachige Dichter ein wichtiges nationales Motiv auf, das 412 Ebd., S. 3-6, 159 ff. #3 Köffinger, Johann Paul: Lieder für Ungerns Bewaffnete. Panonien [sic!], 1809, 16 S. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 180-185. 44 KOffinger, Johann Paul: Gedichte. Pesth: Matthias Trattner, 1807, S. 140. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 157-180. “5 Ungrische Miscellen, hg. v. Dr. Johann Karl Lübeck. 3 Bände. Pesth: Konrad Adolph Hartleben, 1805-1807, 120; 100; 96 S. «131 +