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V. UNGARNDEUTSCHE HEIMAT- UND VATERLANDBILDER UM 1800 In diesem Sinne waren auch die meisten deutschsprachigen Schriftsteller in Ungarn um 1800 bestrebt, die Grenzen zwischen Heimat, Vaterland, Nation, ja zwischen allen Völkern des Königreichs aufzuheben und so weit es nur möglich ist, sámtliche patriotischen (auch lokalpatriotischen) Gefühle zu vereinigen. In dem bereits mehrmals zitierten Gedicht mit dem Titel Nationalstolz ist z. B. vor allem jene bravouröse Fertigkeit zu bewundern (dieses Mal weniger die poetische), mit der der Autor, Christoph Rösler, fahig war, alle obengenannten Begriffe (auch abgeleitet) in einer chaotischen Intertextualität miteinander zu verbinden, und zwar so, dass sie alle mit allen jeweils hätten eigentlich ausgetauscht werden können (abgesehen freilich von den manchmal unumgänglichen prosodischen Zwängen), wie dies die folgenden Zitate aus dem Gedicht veranschaulichen: alles, was nach Form und Leben strebet, Die Heimath ist’s, für die es wächst und lebet. (1. Strophe) [...] was da lebt mit Kräften oder Trieben, Die Heimath will es und die Gattung lieben. (2. Strophe) Und soll der Mensch dem schönen Heimaths-Boden, Dem heimathlich befreundeten Geschlecht Entsagen dürfen [...]? [...] Soll für das vaterländ’sche Wirken, Leben Nicht schwellend sich das Herz im Busen heben? (3. Strophe) Die Reitze unsrer vaterländ’schen Auen Den Werth der vaterländ’schen Nation Soll ohne Rührung sie erkennen, schauen, Und ohne Selbstgefühl des Landes Sohn. (4. Strophe) Uns gehört das Schöne und das Gute, Das in der Heimath fruchtbar sich beweist (5. Strophe) Heil dem Patrioten, deren Stärke Den Vätern gleich besteht durch Kraft und Werke. (6. Strophe)” Der Begriff „Nation“ involvierte hier wie auch in anderen Schriften Röslers sowie vieler seiner deutschsprachigen Zeitgenossen in Ungarn stets sämt23 Rösler, Ch.: Nationalstolz. In: Zeitung für Herren und Damen. Pest, 1807, Nr. 18, S. 141. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 249 f. Vgl. dazu Kap. IIU/3. + 124 +