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V. UNGARNDEUTSCHE HEIMAT- UND VATERLANDBILDER UM 1800 Unterscheidungsmerkmal des letzteren — laut Duden - jenes Land sei „aus dem man stammt, zu dessen Volk, Nation man gehört“ und dem man sich auch nach Attinghausen mit dem Dudenwort „zugehörig fühlen“ sollte.° Die Deutschen des Königreichs fanden allerdingsihre Heimatin Ungarn fast ohne Ausnahme vor der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen, als aus der Urheimat noch kaum etwas von einem deutschen National- und Vaterlandsbewusstsein zu importieren war. (Deutschlandbekenntnisse eines Klopstock oder mancher Sturm-und-Drang-Dichter aus der Zeit vor 1789 waren damals lediglich intellektuelle „Extras“ ohne besonderen Anklang in der Bevölkerung des Deutschen Reichs.) So konnte Professor Martin Schwartner, in seinem Hauptwerk die merkwürdigen Schlussfolgerungen über die Deutschen innerhalb und außerhalb Ungarns mit jedem Recht niederschreiben: Keine Nation, weder der alten noch der neuen Welt, ist so zerstreut in allen Welttheilen, und unter jeder Zone zu finden, und denkt und handelt in diesem Verstande mehr cosmopolitisch, als die deutsche. Sogar auf die Enkel der Teutonen in Ungarn, scheint sich dieser allgewaltige Trieb [...] verpflanzt zu haben.° Eine nicht nationale weltoffene Sichtweise im Sinne eines ubi bene ibi patria wurde damit 1798 noch als eine hervorragende nationale Eigenschaft aller Deutschen, auch der Ungarndeutschen, apostrophiert. Dank der unternehmungslustigen Offenheit der Umsiedler für das Neue sowie den verschiedenen Begünstigungen in der ungarnländischen Wahlheimat, vollzog sich ihre Umstellung auf die neuen Verhältnisse in allen Epochen äußerst schnell. Sie bekannten sich vom Anfang an als Untertanen der ungarischen Krone, und schon in wenigen Generationen verschwammen die Erinnerungsbilder an die Urheimat in Bayern, Schwaben, Mähren etc. Um 1800 war es meistens bereits irrelevant, wann und woher (aus welcher Region) die Ahnen dieses oder jenes Autors (ob im Jahre 1200 oder erst fünfhundert Jahre später) nach Ungarn zogen. Von den abgebrochenen Beziehungen zum einstigen Mutterland blieb für die große Mehrheit nur noch die deutsche Muttersprache erhalten, in der sie ihre zunehmende Verbundenheit mit der ungarischen Heimat artikulierten. Damit öffnete sich der Weg für den entscheidenden Schritt aus der Heimat in das Vaterland bis zur nationalen Verbundenheit mit allen Völkern die darin lebten. Ungarn als Zweitheimat erlebten nach 1800 eigentlich nur noch — das waren auch nicht wenige — Deutsche der letzten Umsiedlergeneration. 5 Duden, S. 1347. ® Schwartner, Martin: Statistik des Königreichs Ungern. Erster Theil. Erste Aufl., 1798. Zweyte vermehrte u. verbesserte Aufl. Ofen: gedruckt mit königl. Universitäts-Schriften, 1809, S. 129. + 116°