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4. KULTURELLES LEBEN IN UNGARN UM 1800 — DEUTSCH [...] Ich habe es selbst von gebohrnen Ungern gehört, daß es ihnen zum Theil schwer wird, ihre Muttersprache geläufig zu sprechen, so fremd hat die lange Gewohnheit sie ihnen gemacht.“® Außerdem belegte er die allgemeine Deutschsprachigkeit in den Städten des Königreichs mit folgenden Worten: „Ihr Sommer und Wintertheater, ihre Lektüre und selbst ihre Buchhandlungen sind fast ausschließend teutsch [...] Auf den Kaffeehäusern, Billards, Promenaden hört man fast nichts als teutsch sprechen .“'s So ist es verständlich, dass Professor Schedius die Wahl der deutschen Sprache für seinen Literärischen Anzeiger’ 1798 (wie auch später, im Jahre 1802, für seine Zeitschrift von und für Ungern)"” an erster Stelle damit begründete, „daß der Kreis der deutschen Lesewelt bey uns weit größer ist, als jedes andern Publikums“. Von der kurzlebigen ungarischen Zeitschrift Urania aus dem Jahre 1794 bis zur Herausgabe der später für die Entwicklung der ungarischen Literatur so bedeutenden Tudomanyos Gyüjtemeny von 1817 kamen im alten Pest-Ofen — wohlgemerkt ein Viertel Jahrhundert lang! — überhaupt keine magyarischen periodischen Schriften kulturellen, poetischen bzw. wissenschaftlichen Inhalts heraus. Dagegen las man in der gleichen Zeit ebenda rund 20 Titel unterschiedlichster deutschsprachiger periodischer Drucke aus dem Königreich, unter ihnen außer den beiden obengenannten Zeitschriften von Prof. Schedius die Musenalmanache, die Zeitschriften und Zeitungen von dem freischaffenden Literaturorganisator des deutschsprachigen kulturellen Lebens in Ungarn, dem höchst produktiven Dichter, Herausgeber und Redakteur Christoph Rösler, das Patriotische Wochenblatt für Ungern und die Ungrischen Miscellen von dem auch als Dichter berühmten Arzt Johann Karl Lübeck, die topographischen Bände von dem in Jena studierten Iheologen und Mineralogen Samuel Bredetzky mit einer Vielzahl von wissenschaftlichen Texten auch über die Kultur des Landes sowie die berühmten Modeblätter des Pest-Ofner Verlegers Joseph Leyrer - der Zeit entsprechend jeweils mit vielen poetischen Texten von einheimischen und ausländischen Autoren etc. Arndt, Ernst Moritz: Erinnerung an Ungern. Ein kleines Anhängsel. In: Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 u. 1799. 1. Theil. 2. verb. u. vermehrte Aufl. Leipzig: Heinrich Gräff, 1804, S. 294. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 241. 1° Ebd. Schedius, Johann Ludwig: Vorbericht. In: Literärischer Anzeiger für Ungern. Hg. v. J. L. Schedius als wöchentliche Beylage des Neuen Couriers aus Ungern oder die Pester PostAmtsZeitung. Red. v. Andreas Friedrich Halitzky. Pest: Matthias Trattner, 1798, H. 1. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 24. Schedius, Johann Ludwig: Einleitung. In: Zeitschrift von und für Ungern zur Beförderung der vaterländischen Geschichte, Erdkunde und Literatur. Hg. v. J. L. Schedius in Pesth bey Franz Joseph Patzko, 1802. Bd. I, H. 1, in: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 75. 21.