OCR
Ich glaube mit gutem Grunde behaupten zu können, daß des iezt gerügten Aberglaubens, auch unter den hiesigten Insaßen, ieder Nation mehr als zuviel vorhanden sey. Die Begierde, im Hui und ohne anhaltende Arbeit Reichthümer zu überkommen, macht manchen leichtgläubigen Thoren, nach allerhand schaalen Erzehlungen, von hier und dort am Schülerberg; im Truttengraben; auf der Zitadelle oder auf dem Burgstadel, erschienenen geschleierten Frauen, gekutteten Pfaffen, bärtigen Greisen oder schneeweißen Knaben, horchen. Es wird beschloßen, den Gott der unterirrdischen Schätze, es möge auch kosten, was es wolle, seiner reichhaltigen Beute, in gehöriger schazgräberischen Forme zu entsetzen. Und da wird meistens also zu Werk gegangen: 1. Man verbindet sich mit einem in der Schazgräberey erfahrnen Mann, um nicht etwas dabey zu versehen, wodurch man entweder um den Schazz kommen dürfte, oder auch der aufgebrachte Geist über den unverständigen Gräber herfiele, und ihm den Hals umkehrete. 2. Man mag sich bey der Expedition, auch eines Sonntagskindes, welches die Geister vorzüglich gut sehen soll, bedienen. 3. Auch ist dazu eine in der Johannisnacht zwischen 11 und 12 geschnittnen, und mit verschiedenen Formuln eingesegnete Wünschelruthe nöthig: als wodurch nicht nur der Ort des verborgen liegenden Schatzes ausfindig gemacht; sondern auch der wachehaltende Geist in Respekt erhalten wird. 4. So soll auch das, auf die Nägel beider Daumen eines Sonntagskindes geschmierte Mohn- oder Moog-Oel, die Augen künstlich aufklären, um die Umstände des zuhebenden Schatzes näher zu spionniren: Ob er hart oder nur leicht verwünschet sey? ob ein guter Geist, oder ein Drache, Hund p. p. darüber brüte; und was es für sonstige Zerimonien zu defßen Hebung brauche? 5. Endlich soll zu allen dieserley Unternehmungen überhaupt die Johannisnacht die günstigste seyn, weil a) Darinnen alle unterirrdische Schätze, von dem reichsten Fürstlichen Depositum bis zum kleinsten vergrabnen meßingenen Knopf, eine blaue Flamme von sich geben, die wir: Blühen nennen. b. Alle unterirdische Geister des besten Humors sind, in diesen Johannismitternachtsstunden ihren Schaz abzutretten. Eine belustigende und untermischt ernsthafte Anekdote über Schatzgräberey, finde ich in der Geschichte meiner Vaterstadt, das ehehinnige Territorium von Sandava, und den daselbst gesuchten Schatz betrefend; worüber ich aber aus mehrerem Betracht, den Vorhang fallen laße. [Seite 64>] Segensprechen, Dafürreden. Das Vorurtheil des gemeinen Volks findet auch hier ein weites Feld, um seine ergiebige Erndte zu halten, vor sich. Ein dummes unverständliches Murmeln gewißer berufner oder verschrieener Leute, von welchen man glaubt: sie vermögeten mehr, als Brod eßen 266