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Johann Samuel Barbenius: , Die Thorheiten des unter dem gemeinen Manne noch immer bestehenden Aberglaubens sind von so vielfacher Art..." Euer Excellence, Zufolge des mir vom 26. April zugeschickten Befehls, habe ich die Ehre Eurer Excellence die wenigen Erfahrungen, welche ich von den noch bestehenden Vorurtheilen gemacht habe, hiemit zu übermachen. Die Thorheiten des unter dem gemeinen Manne noch immer bestehenden Aberglaubens sind von so vielfacher Art und Beschaffenheit, daß vielleicht kein Gegenstand im gemeinen Leben davon verschont bleibt. Es giebt Vorurtheile in Absicht auf die Religion; die Gesundheit der Menschen und des Viehes, defSen Fortpflanzung und Erhaltung - den glücklichen Fortgang des Gewerbes, - die Feldsaat, - das Gewitter und was immer genannt werden kan. Freylich sind diese Vorurtheile nicht überall gleich ausgebreitet. Je nachdem einer und der andere auch von der geringsten Gattung der Menschen entweder durch den Schulunterricht in seiner Jugend, oder durch eine vernünftigere Erziehung, oder durch den Dienst bey aufgeklärten Leuten Gelegenheit gehabt hat, seinen Verstand und die Fähigkeiten seines Geistes auszubilden, oder in Ermangelung deßen in seiner Bildung zurückgeblieben ist, unterscheidet sich ein ieder auch in der Annahme oder Verwerfung derley aberglaubischer Vorurtheile. Der Grund von diesen Vorurtheilen liegt also in der aus dem Mangel der Bildung des gemeinen Volcks nothwendig entspringenden Unwißenheit, welche bey dem gegenwärtigen politischen System schlechterdings nicht gehoben werden kan. Seit dem die Geistlichkeit bey der Bestrafung ihrer Pfarrkinder aus aller activitaet ist gesezt worden, und der gemeine Mann sie als bloße Rathgeber betrachtet, so hört derselbe ihre gut gemeinten Vorschläge kaltblütig an, und befolgt sie, wofern sie mit seinem Plane übereinstimmen. Muß der Lehrer hingegen aus Gewißenspflicht manchmal den Leuten auch Pflichten vorhalten, die eine gewißße Ueberwindung kosten, so ist mancher von den Zuhörern so dreist, daß er durch beißende Ausdrücke demselben das Unvermögen, seinen Vermahnungen die nöthige Kraft zu geben, empfinden läßt. Soll der Lehrer die Unterstüzung bey dem weltlichen Arme suchen, so ist dieser Weg nicht allein durch die unzähligen Geschäfte, womit iede Gerichtsstelle überladen ist, verbaut, sondern der Lehrer verfällt auch in den Verdacht einer angesuchten Rache an seinem widerspenstigen Zuhörer. Aus diesem Grunde läßt sich bey der gegenwärtigen Verfaßung auch durch die redlichsten Bemühungen eines Lehrers wenig oder gar nichts beßern, und dieses hat den wichtigsten Einfluß in den rohen und ungebildeten Zustand des gemeinen Volks. Man sieht den Beweis hievon vorzüglich in den Dorfsschulen. Jeder Bauer glaubt, es sey seiner Willkühr überlaßen, ob seine Kinder zum Unterricht kommen sollen oder nicht. Umsonst bittet, vermahnt, warnt der Pfarrer die Eltern, daß sie ihre Kinder nicht verwahrlosen mögen. Sie wißen daß seine Bemühungen ohne Nachdruck bleiben. Keiner wird durch die Vorstellungen des Seelsorgers gewährt. Jeder läßt sich blos durch seiner oeconomischen Verhältniße leiten. Jeden bestimmt blos das 209