X. GLÜCK UND UNGLÜCK IN DER K. K. MONARCHIE UM 1800...
Adligen mögen zwar in vieler Hinsicht divergiert haben, doch verband sie der
entschiedene Widerwille gegen die in unterschiedlichem Mafe bedriickenden
wirtschaftlichen und politischen Kolonialisierungsmaßnahmen durch
Österreich. Andererseits verband bürgerliche und adlige Literaten auch
der weltoffene Geist der Aufklärung, der Ende des 18. Jahrhunderts noch
ihrer aller Erziehung prägte, der die möglichen Interessenunterschiede von
Nationalitäten noch weitestgehend eliminierte und in ihnen besonders nach
1794/95 einen gemeinsamen Unmut über die politische und kulturelle Engstir¬
nigkeit der höfischen Zensurbehörden aufsteigen ließ. (Die sich in einer
verhältnismäßig kurzen Zeit vollzogene Identifizierung der deutschen Bürger
mit Ungarn schuf schließlich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
alle Voraussetzungen auch für ihre sprachliche Assimilation).
3. KULTURHISTORISCHE ZWISCHENFÄLLE:
MAGYARISCHE ABNEIGUNG GEGEN DEUTSCHSPRACHIGKEIT
Um 1800 stand jene Intoleranz der Jahre nach 1830 noch aus, die dann
berühmte Repräsentanten der Magyaren immer entschiedener gegen deutsch
schreibende Ungarn trotz aller ihrer Bekenntnisse zum ungarischen Vaterland
ins Feld führte, dabei im nationalen Übereifer für die Ausschließlichkeit der
ungarischen Landessprache plädieren ließ und vielseitig gebildete klassisch
aufgeklärte supranationale Geister, wie den ungarndeutschen Karl Georg
Rumy aus der Zips, dem Hohn der Öffentlichkeit preisgab.'
Die deutsche Sprache als Zweitsprache hatte allerdings in Ungarns neu¬
zeitlicher Kulturgeschichte schon immer vor allem eine völkerverbindende
Funktion. Sie verband dabei nicht nur Ungarn und Deutsche miteinander,
sondern sämtliche Nationalitäten des Vielvölkerkönigreichs. Zu den seltenen
Ausnahmen dürfte in Ungarn die Zeit nach den 1711 beendeten Unabhängig¬
keitskriegen sowie vor und nach 1848/49 gehört haben, als man allerdings für
einige Jahrzehnte bei allen hervorragenden Deutschkenntnissen der Ungarn
keine besondere Empfänglichkeit für auf Deutsch vorgetragene Ideen zu
haben schien.
So hätte Maria Theresia 1741, als ihr Ihron bedroht war, die ungarischen
Stände möglicherweise weniger beeindruckt, wenn sie diese nicht mit
lateinischen Worten, sondern auf Deutsch um Hilfe gebeten hätte.
Merkwürdig ist auch, dass hundert Jahre später, im Januar 1840, Franz Liszt
nach einem Konzert mit ungarischen Motiven in ungarischer Tracht das
höchst begeisterte Pester Publikum (da er ungarisch nicht konnte) — wie es
in den zeitgenössischen Berichten stand — „taktvoll“ französisch ansprach,
u Vgl. dazu das Epigramm v. Mihaly Vorésmarty im Kap. VI/3.