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III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800

allgemeinen Zugang zur Bildung und zum Wissen hoch aufgewertet. Diesen
Positionen gemäß sei nichts nutzloser als ungelesene und wirkungslose
Bücher der Privatbibliotheken:

Staub nur, und Motten nagen dran,

Zur Zierde dienen sie verschlossnen Wänden,
Bis, freylich rein und unbeschmuzt

Doch leider ungelesen, ungenuzt,

Ihr Schiksal sie, nach etlichen Jahrzehnden,

In einem Kaseladen enden.”

Die Argumentation des Gedichtes entspricht in jeder Hinsicht den Prinzipien
der Aufklarung Die Metaphorik des Nutzlosen dient darin als Antithese zur
poetisch feierlichen und optimistisch aufgeklarten Aussage. Nur die allgemeine
Aufnahme des geschriebenen Wortes setze schöpferische Kräfte frei. Im
national engagierten Kontext bewirke dies den Anschluss des Vaterlandes an
die Kultur und den Wohlstand der entwickelten Nationen Europas:

Man liest,

Wetteifernd mit den Schöpfern dieser Werke;
Belebt den Geist mit Thatendrang, mit Stärke;
Das junge Reis, allmählig sprießt

Zum Blüthenvollen mächt’gen Baume;

Die Blüthe reift zur Frucht heran,

Vertheilt als neuer Saamen dann

Nach allen Seiten sich, im weiten Raume

Der Zeiten und der Wirksamkeit,

Beglückt durch neue Fruchtbarkeit

Die fernen Generationen;

Sie holen bald die andern Nationen,

Ihr Wissen, ihren Wohlstand ein —

Und dieß Verdienst, o edler Graf! ist - Dein.”

Das Wetteifern der Ungarn mit dem entwickelten Ausland ist das wiederholte
Motiv dieser Gedichte. Der Ruhm des Vaterlands durch die Fortschritte,
welche mittels der Verbreitung von Wissen und Kultur erzielt wurden, scheint
eines der wichtigsten Anliegen der ungarndeutschen Dichter gewesen zu
sein. Auch in dieser Beziehung trennt sie nichts von dem gleichzeitig immer
stärker werdenden ungarischen Nationalbewusstsein ihrer magyarischen
Zeitgenossen. Es geht dabei immer darum, an den hohen Maßstäben der

790 Ebd., S. 45, 222.
71 Ebd., S. 45 f., 222 f.

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